Endlich Zeit, das Winter-Wonderland zu genießen…

Unsere Mutter hat uns Kindern immer bei Zwistigkeiten oder Verabschiedungen gesagt, dass wir nie im Streit auseinandergehen oder einschlafen sollen. Und so möchte ich dieses Jahr auch beenden und versuche nicht, wie in den anderen Texten der vergangenen CITICON-Ausgaben zu ermahnen und dadurch vielleicht Unmut zu erzeugen. Zum Jahresende hat mir Steffi Kürten vorgeschlagen, ich möchte doch diese Zeilen dem Garten im Winter widmen. Nichts lieber als das! 

 

Ich nehme Sie mit in die Wunderwelt des Gartens, der zwar nach manch kalten Nächten sehr abgestorben wirkt, jedoch schon in den Herzen der Pflanzen das neue Leben für das kommende Jahr parat hat. Wir vermehren um diese Zeit bis Januar und Februar unsere Stauden und sehen beim vorsichtigen Teilen die schlafenden Augen und kleinen frischen Blättchen für das nächste Jahr. Welch eine Zuversicht der Natur, die gar nicht wissen kann, was der Winter alles an Kälte, Schnee und Feuchtigkeit bringen wird. Wäre das nicht für uns Menschen auch eine Option, dass wir nach all den schönen und weniger schönen Ereignissen in diesem Jahr einfach dem Kommenden zutrauen, dass es wieder weitergeht, dass wir auch da wieder an Erfahrungen weiterwachsen dürfen, einfach mal anfangen zu leben, komme was da kommen mag?

 

Für viele Gärtner_innen ist die Natur ein guter Lehrmeister. Wir arbeiten meist gebückt, den Blick auf die Pflanzen und die Erde gerichtet, kein Wort fällt und doch sind wir in dieser Haltung dem Himmel so nah. Pflanzen erdulden unsere Tritte, unser Abschneiden, unser Zuviel oder Zuwenig beim Gießen und Düngen, sie erdulden unsere Überheblichkeit und unsere Unachtsamkeit, unser Desinteresse und unser Abwenden. Wenn wir jetzt in die Natur sehen, ist sie leider weniger prächtig ohne Blüten, Grün und die Farben, jedoch zeigt sie sich verletzlich in ihren abgestorbenen Blättern, die trocken und verrunzelt am Boden liegen. Bäume zeigen im Gegenlicht ihr bizarres und komplexes Gerüst mit kräftigen und zarten Zweigen. In der Stadt sehen wir leider auch, was die sogenannten „Hausmeisterschnitte“ an Verstümmelungen und Elend hinterlassen. Entschuldigung, ich wollte doch nicht belehren! 

 

Copyright – Canva

 

Wie wunderbar, wenn man sich darauf einlassen kann. Es braucht nur die natürliche Beleuchtung des Himmels am Tag oder das gedämpfte Licht des Mondes in der Nacht und wir können uns leise berühren lassen. Da braucht es keine LEDs oder sonstige Stromzehrer, nur wache Augen. Unsere Nachtschwärmer finden auch ohne Beleuchtung den Weg durch unsere Gärten, wenn sie nicht im Winterschlaf sind.

 

Und wie schön ist es, wenn wir im Wald spazieren gehen und unsere kleinen wie großen Hände sind schon nach kurzer Zeit mit wunderbaren Geschenken gefüllt. Bemooste Zweige, Zapfen und Steine, Gräser und Früchte erinnern uns noch Wochen danach an diesen Ausflug. Wir können uns diese Stimmung auch in unsere Gärten holen, in dem wir Gehölze pflanzen und unsere Gärten nicht geschleckt dem Winter überlassen. In abgestorbenen Pflanzenteilen, Blüten und Stängeln überwintern viele Insekten bis zum Frühling. Diese natürliche Mulch-Schicht schützt unsere Böden vor Erosion und Kälte. Im Boden lebt es, da arbeiten die Mikroorganismen und Regenwürmer weiter am Verarbeiten des Laubs und der Pflanzenreste zu wertvollem Humus. Diese Lebewesen sind so unscheinbar und unsichtbar, jedoch lebensnotwendig für das Leben auf der Erde. Verringert sich das Mikrobiom (alle Mikroorganismen) auf unserer Erde weiterhin so rasant wie bisher, wird das menschliche Leben sich auch dezimieren. Diese mikroskopisch kleinen Lebewesen gilt es zu erhalten und zu pflegen. So wie wir mit einer intakten Darmflora gesund bleiben, brauchen diese auch unsere Böden. Wie perfekt alles ohne unser Zutun funktioniert, zeigen Naturböden. Geben wir in den Boden nur, was der Regenwurm auch verdauen kann – natürliches, organisches „Futter“.

 

Wussten Sie eigentlich, dass die menschliche und die pflanzliche Zelle in ihrem Aufbau sich ziemlich ähnlich sind? Wundern Sie sich darum nicht, wenn Sie Gärtner-Gene und eine plötzliche Naturverbundenheit bei sich entdecken. Unterstützen Sie Ihre Kinder und Enkelkinder, wenn sie lieber in der Erde spielen und garteln möchten, anstatt mit technischen „Geräten“. Lassen Sie es ruhig zu, es ist wunderbar, mit und in der Natur zu arbeiten. Die Natur verzeiht so viel, was wir erst noch erlernen müssen. Das geht uns nicht anders. Wahrscheinlich ist es für die Zukunft sicher nicht unbedeutend zu wissen, wie wir uns selbst mit frischem Gemüse versorgen können, ohne Pestizide und lange Lieferwege.

 

Und was wären unsere Gärten ohne die kleinen gefiederten Besucher, unsere bunte Vogelwelt. Im vorweihnachtlichen Stress genieße ich den Blick in den Garten und sehe den Vogerln beim Fressen zu. Je mehr Futterstellen Sie aufhängen und unterschiedliches Futter bereithalten, um so vielfältiger sind auch die Arten, die aufeinandertreffen. Idealerweise ergänzen fruchttragende Gehölze wie Schlehe, Zieräpfel und Hagebutten das Angebot und bleiben den Arten, die keine Körner fressen, wie unseren Amseln, die übrigens auch halbierte, schrumpelige Äpfel gerne noch verspeisen, welche deshalb nicht in die Bio-Tonne gehören. Ich freue mich schon auf den Frühling, wenn wir von deren Arien wieder stimmungsvoll geweckt werden.

 

Zum Abschluss möchte ich Ihnen von Herzen eine segensreiche und besinnliche Zeit mit Ihren Lieben wünschen, mit Momenten der Stille und Einkehr in der Natur. Auch die Zuversicht, dass wir immer wieder eine neue Chance bekommen, neu beginnen können, etwas zum Guten zu ändern. Bleiben Sie gesund, freuen Sie sich des Lebens und tanken Sie die Kraft der Natur, der gratis Bio-Sprit für uns. Bis zum nächsten Jahr!

 

Text: Gabi Haid

Gefällt Ihnen der Artikel?

Auf Facebook teilen
Auf Twitter teilen
Auf LinkedIn teilen
Auf WhatsApp teilen

Hinterlassen Sie uns ein Kommentar

Weitere Artikel

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner