50 Jahre Armeemuseum in Ingolstadt

Petra Volkwein im Gespräch

Herr Dr. Reiss, wir steuern auf 50 Jahre Bayerisches Armeemuseum in Ingolstadt zu, es war damals eine ungewöhnliche Sache, dass die Staatsspitze einem Umzug eines Museums nach Ingolstadt zustimmte… Es war wirklich ein großer Schritt, als das Museum am 26. Mai 1972 hier eröffnet worden ist. Es war das erste staatliche Museum außerhalb Münchens! Man hat es schlussendlich verlagert und wie man sich denken kann, ist es das Resultat eines Kompromisses. Wie bei Kompromissen so üblich, waren darüber nicht alle glücklich. Vorausgegangen war eine lebhafte Debatte in München. Das Museum wurde 1879 gegründet, hatte im ehemaligen Militär- und Kasernenviertel seinen Sitz und ist 1905 in den großen Neubau am Hofgarten umgezogen, der extra dafür direkt an der Residenz geschaffen wurde – in zentraler, herrschaftlicher Position des Königreichs. Das Gebäude wurde im Krieg sehr schwer beschädigt, die Sammlungen waren glücklicherweise größtenteils ausgelagert. Und dann entbrannte in den 50er Jahren in München eine große Debatte, ob man das Armeemuseum wieder errichten sollte oder nicht. Herausgekommen ist, man errichtet es wieder, aber nicht in München.

Das Schloss in Ingolstadt war wahrscheinlich nicht geeignet für ein Museum, es gab bestimmt große Änderungen und Umbauten im Inneren? Es gab damals in München starke Kräfte, die kein Militärmuseum inmitten der Stadt wollten. Es war das München von Hans– Jochen Vogel, der Bewerbung für die Olympiade, des U-Bahn-Baus, der Weltstadt mit Herz… da passten Militär und Krieg nicht richtig dazu. Die Chance, die sich bot, war die Liegenschaft Neues Schloss in Ingolstadt, die nach Kriegsschäden dringend einer Sanierung harrte, ebenso wie einer Nutzung. Diese Nutzung fand man mit dem Armeemuseum. 1963 gab es einen Kabinettsbeschluss zur Wiedergründung und Öffnung des Armeemuseums im Neuen Schloss, die Sammlungen waren ja erhalten. Die bayerische Schlösserverwaltung sollte das Gebäude sanieren. Das ist in den 60er Jahren mit einem gewaltigen Aufwand geschehen, allerdings sind die Sanierungen nicht über das Hauptgebäude hinausgekommen, wie wir auch heute noch sehen. Bei den Nebengebäuden, sowohl dem Kavaliersbau mit den Werkstätten als auch dem Zeughaus, ist das Ganze ins Stocken geraten – und das bleibt auch 50 Jahre später noch eine Aufgabe.

© Bayerisches Armeemuseum, FOTO: Erich Reisinger

Wie hat es denn damals angefangen, wie haben sich die Ingolstädter_innen dazu gestellt, plötzlich ein Armeemuseum zu haben? Wissen Sie etwas darüber? Ingolstadt ist ja immer auch eine Militärstadt gewesen, baulich geprägt von der Landesfestung und auch das Neue Schloss war von 1800 bis 1945 in der Nutzung des Militärs, selbst wenn die Wehrmacht keine wirkliche Verwendung mehr dafür hatte. Es gab aber eine Nutzung, die aus den 20er Jahren stammte. 1925 hat im Schloss erstmals das Stadtmuseum eröffnet, dieses Gebäude wurde also bereits als Museum genutzt. Auch das Stadtarchiv befand sich hier seit dieser Zeit. Die Stadt musste sich neue Räume suchen und entschied sich für das Kavalier Hepp. Übrigens stand der berühmte Schwedenschimmel zu der Zeit im Schloss.

Sie haben das Haus viel später übernommen und hatten zwei Vorgänger. Sie haben zahlreiche Baustellen vorgefunden, die Sie heute noch immer beschäftigen. Das Haus gehört zum Wissenschaftsministerium und nicht zum Finanzministerium – Sie brauchen bestimmt viel Energie, um weitere Restaurierungen anzuschieben? Seit den 90er Jahren ist die Schlösserverwaltung nicht mehr für dieses Haus zuständig. Bei uns ist es so ähnlich wie bei einer Dombauhütte, eine „Neverending Story“, aber ich denke, man muss das positiv nehmen. Der ständige Umbau garantiert ein lebendiges Museum.

Das Haus hat sich unter Ihrem Direktorium sehr geändert. Sie haben es der Stadt gegenüber geöffnet, früher lag immer die Betonung auf dem staatlichen Museum, heute gibt es ein fruchtbares Miteinander, was die Bevölkerung sehr schätzt. Sie haben nach der Landesausstellung „Napoleon“ und dem dadurch geleerten Haus sehr viel Neues bewegt in der Museums – und Ausstellungsarchitektur… Wir konnten eine ganze Menge bewegen und von innen betrachtet, geht es auch immer viel langsamer, als man möchte. Es ist ja auch wichtig, die MitarbeiterInnen und die ganze Institution mitzunehmen. Wir sind auf einem guten Weg, sowohl, was die Erneuerungen der Ausstellungen betrifft, im Hintergrund die Erschließung unserer Sammlung, da haben wir in den vergangenen Jahren sehr viel geleistet und sind im deutschen Museumswesen deutlich präsenter geworden als Leihgeber und Partner. Es ist uns gelungen, einen Sanierungsprozess anzustoßen. Wir haben im Neuen Schloss die Barrierefreiheit realisieren können, die Öffnung des Feldkirchner Tors war ein Signal für eine bessere Einbindung in die Stadt und so soll es auch weitergehen. Wir haben jetzt das klare Zeitziel, dass bis 2025 der südliche Teil, das Werkstattgebäude fertiggestellt werden soll. Es soll wieder genutzt werden – ein großer Schritt! Aktuell kämpfen wir um die Sanierung des Zeughauses, um dort Räumlichkeiten für Veranstaltungen, Sonderausstellungen und Gastronomie zu gewinnen.

Für Ihr Haus arbeiten viele Menschen, wie viele sind es genau? Es gibt zwar ständig Änderungen, aber es sind derzeit 50 Personen.

Ein wichtiger Teil des Hauses sind die Werkstätten, die wir Besucher nicht sehen, nur die Resultate, wenn ein Gegen- stand repariert ist und wieder ausgestellt werden kann, zum Beispiel das wunderschöne Türkenzelt, Sie haben fan- tastische Handwerker…. Es ist wirklich ein schönes Element dieses Museums, dass wir eine handwerklich geprägte Werkstatt haben, mit 10 Mitarbeiter_innen, die ganz unterschiedliche Gewerke gelernt haben. Metall spielt eine große Rolle, aber auch Textilien und Leder sind wichtig, genauso wie Papier. Wir bekommen dadurch Handlungsfähigkeit, weil

wir viele Dinge im Haus machen können, Kleines und Großes. Die Werkstatt kümmert sich auch um die Konservierung und Erhaltung der Gegenstände und den Ausstellungsaufbau, wie von Vitrinen.

Viele ältere Ingolstädter erinnern sich bestimmt noch an den Fahnensaal, die aus restauratorischen Gründen entfernt werden mussten. Gibt es eine Chance für eine Rückkehr? Der Fahnensaal war ein Denkmal und aus der Zeit gefallen, als ich 2010 hier anfing. Es war ein Erinnerungsort an den 1. Weltkrieg, die Fahnenseide zerfällt und viele restaurierte Exemplare waren mit Kunstseide repariert, die ihre Farbe stark veränderte. Aus feuerpolizeilichen Gründen ist der Saal auch heutzutage nicht mehr als Veranstaltungsort geeignet, etwas Neues soll im Zeughaus entstehen.

© Bayerisches Armeemuseum, FOTO: Andrea Gruber, BSV

Am 16. Juli heißt es im Armeemuseum „offene Werkstätten“, man kann einen Einblick in die Arbeit des Hauses bekommen, der sonst nicht möglich ist. Was erwartet uns? Eine sehr individuelle Präsentation. Die Werkstatt-Mitglieder hatten große Freiheit, was sie zeigen wollen. Es wird verschiedene Stationen geben mit Vorführungen an Museumsobjekten – wie sehen die Schäden aus, wie sichert und reinigt man zum Beispiel bei Mottenfraß? Die Spuren der Zeit sollen sichtbar sein, kein falscher Glanz, denn es geht darum, Dinge authentisch, aber nicht schäbig zu präsentieren. Das Konservatorische steht im Mittelpunkt. Mir liegen das Handwerk und die Restaurierungen sehr am Herzen. Das Handwerk erfährt in der Gesellschaft nicht die Anerkennung, die es verdient. Wir sind auf Digitalisierung fixiert. Der Mensch besteht aber nicht nur aus Kopf, sondern auch aus Hand. In den Ausstellungen sieht man, was aus Handwerk geschaffen wurde. Aber auch die in früheren Zeiten verwendeten Gift – und Schadstoffe sind ein großes, überraschendes Thema für uns. Wir nehmen diesbezüglich an einem Forschungsprojekt teil.

ICH HÄTTE NOCH LANGE ZUHÖREN KÖNNEN UND FREUE MICH ÜBER 50 JAHRE STAATLICHES BAYERISCHES ARMEEMUSEUM IN INGOLSTADT!

 

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