EIN PROJEKT ZUR SUIZIDPRÄVENTION
Auf den ersten Blick scheint das Herzensanliegen der beiden lebensfrohen Frauen nicht so recht zu ihnen zu passen – Regine Morich und Nicole Fichtner engagieren sich mit ihrer Agentur „Kulturbeutel“ für Suizidprävention. „Ein schweres Thema, dem wir Leichtigkeit geben wollen. Es soll raus soll aus der Tabuzone, raus aus dem verschämten Schweigen und der Sprachlosigkeit“, erklärt Regine Morich. Leichtigkeit habe dabei absolut nichts mit Leichtfertigkeit zu tun, so die Wettstettenerin: „Das Thema ist so schrecklich schwer, es darf uns nicht selbst runterziehen. Sonst könnten wir keine Energie und Kraft dazu aufbringen, andere zu motivieren, um Suizidprävention zu leisten.“
Diese Einstellung spiegelt sich in den kunterbunten, niederschwelligen Aktionen, die ihre Agentur während des vergangenen Jahres in einem vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege geförderten Projekt unter dem Titel „Raus aus dem Abseits“ auf den Weg gebracht hat. „Wir sind ganz bewusst dorthin gegangen, wo Menschen sich aufhalten: in der Schule, beim Friseur, auf dem Fußballplatz, in der Kirche oder im Boxring“, erzählt Nicole Fichtner. In Kooperation mit dem FC Ingolstadt und dessen ehemaligem Ka-pitän Marvin Matip als Schirmherrn gingen Wandertrikots mit „Raus aus dem Abseits“-Aufdruck auf die Reise in verschiedene Vereine. Dabei sensibilisierte das Kulturbeutel-Team in Spielersitzungen und am Spielfeldrand Akteure und Zuschauer für das Thema. Denn Fakt ist: In Deutschland sterben jedes Jahr ca. 10.000 Menschen durch Suizid. Männer sind ungefähr dreimal so häufig betroffen wie Frauen.
„Unsere Bad-Ausstellung zum Thema „Leben pflegen, meinetwegen – deinetwegen“ war in einem Ingolstädter Friseursalon genauso zu Gast wie bei großen Firmen, in Schulen und in Kirchen“, berichtet Fichtner. „Sehr unterschiedliche Orte, die spiegeln: Psychische Krisen können jeden treffen. Niemand muss sich dafür schämen!“
Dabei sprechen die beiden engagierten Frauen mit ihren Aktionen nicht die Betroffenen selbst an, sondern vor allem deren Angehörige und Freunde. „Denn jeder kann einen Beitrag zur Suizidprävention leisten, indem er eben nicht still ist, wenn ihm auffällt, dass es dem anderen nicht gutgeht, sondern nachfragt und, wenn nötig, Hilfe holt“, betont Regine Morich. Weder sie noch Nicole Fichtner sind Fachleute. Aber sie möchten zeigen, dass man auch helfen kann, ohne Experte zu sein. Dabei werden sie von vielen Profis unterstützt: eine Gruppe der KU Ingolstadt-Eichstätt evaluiert ihr Projekt, sie stehen in Kontakt zum Zentrum für psychische Gesundheit in Ingolstadt, zum Krisendienst, dem Sozialpsychiatrischen Dienst, der Telefonseelsorge, dem Fachbereich Lebensschutz der Diözese Eichstätt sowie zu vielen weiteren Firmen und Organisationen in der Region.
Was kommt nach „Raus aus dem Abseits“, wenn das vom Gesundheitsministerium geförderte Projekt zum Jahresschluss 2022 endet? „Unser Anliegen, Suizidprävention in die Öffentlichkeit zu holen, bleibt. Deshalb machen wir weiter“, kündigt Morich an. Ein Schwerpunkt im neuen Jahr wird auf Jugendlichen und Schulen liegen. Fichtner erläutert: „Da gibt es einen massiven Bedarf, auch durch die Corona-Nachwirkungen.“ Das große Ziel, das Thema Suizid weiter raus aus der Tabu-Ecke zu holen, haben beide weiterhin fest vor Augen. „Denn nur, wenn wir über Tabuthemen reden, ist nachhaltige Präventionsarbeit möglich“, sind sie überzeugt.
www.suizidpraevention-kulturbeutel.de
TEXT: Anne Gülich
BU2: Regine Morich (links) und Nicole Fichtner (rechts) beim Staatsempfang „Hand aufs Herz“ in der Münchner Residenz mit Klaus Holetschek (Bayr. Staatsminister für Gesundheit und Pflege) und Melitta Varlam (Moderatorin BR1) Foto: ©Thomas Kugler BU4: Im Austausch mit Markus Lanz (links) und Harald Lesch (rechts) beim Zukunftskongress „Pallas Gathering“ in Ingolstadt. Foto: © Kulturbeutel
BU5: Nicole Fichtner (links) und Regine Morich (rechts) von der Agentur Kulturbeutel haben ein offenes Ohr und ein großes Herz für das Thema Suizidprävention. Sie haben Konzepte entwickelt, um über dieses schwere Thema leichter zu reden. Denn sie wissen: Psychische Krisen können jeden treffen. Direkt oder indirekt. Auf ihrer Projekt-Homepage berichten sie über ihre Aktionen und geben viele Hintergrundinformationen. Hier findet man auch die Kontaktdaten von Hilfsorganisationen und den von den Ingolstädter Schmutzler-Brüdern produzierten Film -Clip „Tabu“.