Denkmalschutz

DENKMALSCHUTZ ALS ABSCHIEDSKULTUR

Das neue Kolumbarium DIE EICHE in Lübeck

 

Seit Jahrzehnten fehlen innovative Impulse in der Bestattungskultur. Das letzte Big Thing war vor 25 Jahren die Zulassung von Wäldern als Bestattungsorte. Die sich schnell ändernden Lebensgewohnheiten der Menschen und der anhaltende Trend zur Feuerbestattung haben zu einer spektakulären Neuinterpretation eines alten Themas geführt: In Lübeck entsteht in einem denkmalgeschützten Gebäude das weltweit einzigartige Kolumbarium* DIE EICHE. 

 

 

Der ästhetisch äußerst anspruchsvoll gestaltete Urnenfriedhof befindet sich in einem Kornspeicher, den der Vater des Literaturnobelpreisträgers Thomas Mann 1873 errichten ließ. Direkt am his-torischen Hansahafen gelegen, rückt der Friedhof damit wieder mitten in die Stadt. Am 20. Juni ist die offizielle Eröffnung. Im April fand in dieser neuen Kulturstätte bereits die Schauspielpremiere von »Letzte Lieder« statt. Das Lübecker Theater hatte sich den 150-jährigen Mann’schen Kornspeicher im Rahmen einer Reihe von Spielstätten im Stadtraum ausgewählt. In »Letzte Lieder« kommt der Autor Stefan Weiller über Musik ins Gespräch – mit Menschen, die er auf Palliativstationen und in Hospizen trifft. Diese erzählen von der Musik, die sie im Leben begleitet hat, und von Liedern, die sie erst in der Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Sterblichkeit (neu) entdeckt haben. Und sie erinnern sich: an die Liebe, die eine Liebe oder an viele. Seine Gesprächspartner blicken zurück und ziehen Bilanz: Was war gut? Was bleibt? Einfühlsam und frei von Sentimentalität fasst Stefan Weiller Trotz und Resignation, Dankbarkeit, Zorn und Trauer seiner Gesprächspartner in Wor-te. Wo diese fehlen, spricht die Musik.

 

Das Kolumbarium ermöglicht eine zukunftsweisende Form des Totengedenkens und ist zugleich ein Ort für kulturelle Begegnungen. Hier finden Verstorbene jeder Glaubensrichtung oder Überzeugung und jeder gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Stellung die Wertschätzung, die ihnen bedingungslos zusteht. Betreiberin ist die gewerblich tätige Kolumbarium DIE EICHE GmbH. Sie wird ihre Gewinne einer gemeinnützigen Stiftung spenden.

 

GESCHICHTE DES GEBÄUDES Das siebenstöckige Gebäude am historischen Hansahafen ließ der Kaufmann und Senator Thomas Johann Heinrich Mann 1873 als Kornspeicher erbauen. Dessen Sohn, der spätere Literaturnobelpreisträger Thomas Mann, ver-ewigte DIE EICHE in seinen „Buddenbrooks“ und machte den Lübecker Hafen zum Sehnsuchts- und Aufbruchsort. So wie der große Schriftsteller die fiktive Geschichte vom Leben einer Familie, einer Stadt, einer Gesellschaft erzählerisch zum Leben erweckte, so leben in diesem alten Speicher die Geschichten der Menschen weiter.

 

In einem übergreifenden seelsorgerischen und kuratorischen Konzept verbindet das Kolumbarium DIE EICHE denkmalgeschützte Architektur, moderne Licht- und Raumgestaltung und Bildende Kunst mit den Zeichen und Dingen der Verstorbenen. Im Zusammenwirken aller Elemente entsteht ein Ort, den die Menschen als Zuhause wahrnehmen können, als Zuflucht, Ruhepol und Vertrauensort. Ein Ort, der Trost spendet, und wo die Menschen sich – ganz in Ruhe – ihrer Liebsten erinnern und für das eigene Leben Kraft schöpfen.

 

Hinter der Idee für das Kolumbarium DIE EICHE stehen die beiden Lübecker Bürger Michael Angern und Peggy Morenz. Michael Angern ist studierter Forstwissenschaftler und IT-Unternehmer. Peggy Morenz ist Produktmanagerin und Unternehmerin. Die Trägerschaft für das Kolumbarium DIE EICHE hat die Heilsarmee in Deutschland übernommen.

 

WARUM ENTSTEHT EIN KOLUMBARIUM MITTEN IN LÜBECK?

Warum nicht? Schließlich waren Friedhöfe über viele Jahrhunderte Teil einer urbanen Kultur, meist neben den Kirchen auf sog. Kirchhöfen. Auf diesen wurden nicht nur die Toten bestattet, sondern sie waren zugleich Orte geschäftigen Lebens. Mit der Reformation wurden in viele Städten Friedhöfe vor die Tore verlagert. Nicht nur religiöse, auch hygienische Gründe spielten hier eine Rolle. Erst der starke Trend zur Feuerbestattung und der damit einhergehende geringere Platzverbrauch für die Aufbewahrung ermöglicht heute die Rückkehr der Toten unter die Lebenden.

 

* Ein Kolumbarium ist ein Urnenfriedhof in einem eigenen Gebäude. Kolumbarien können Teil eines größeren traditionellen Friedhofs oder Krematoriums sein, man findet sie auch in Kirchen oder ganz normalen Häusern. Der Begriff Kolumbarium leitet sich ab vom lateinischen Wort für Taube (columba), da die ersten Kolumbarien zur Römerzeit optisch Taubenschlägen ähnelten.

 

Fotos: © Jörg Schwarze

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