Von den Glaubenskriegen zur Ökumene

Nach dem Ende des 30-jährigen Krieges folgten bis zur Französischen Revolution und den napoleonischen

 

Kriegen eine ganze Fülle von Kriegen in Europa – viele wegen Erbfolgeansprüchen – und auch in Übersee, weil sich die europäischen Mächte Besitztümer in Afrika, Asien und Amerika als spätere Kolonien sichern wollten. (Auch religiöse Gründe spielten eine Rolle: in England wurde 1673 in einer Testakte festgelegt, dass Katholiken von Staatsämtern ausgeschlossen werden sollen. Erst 1702 endete in Frankreich der letzte Hugenottenkrieg.) Bayern war mit wechselnden Bündnispartnern öfter mit dabei. Nach 1683, dem Sieg gegen die Türken, die Wien belagert hatten, und der Eroberung Ungarns und auch Serbiens (Prinz Eugen!) war Österreich zur Großmacht der kaiserlich-königlichen Donaumonarchie aufgestiegen. Die alte Rivalität der Wittelsbacher und der Habsburger führte zum spanischen Erbfolgekrieg, der damit endete, dass die Habsburger 1705 nach Siegen gegen das mit Frankreich verbündete Bayern in München einmarschierten. Ganz Europa bewegte 1731 der Zug von 20 000 Protestanten, die vom Salzburger Erzbischof ausgewiesen wurden … und sich erst in Ostpreußen ansiedeln durften. (Zu dieser Zeit entstand in Ingolstadt die großartige Maria de Victoria Kirche.) Erst 1781 konnte Kaiser Joseph II. seine Reformen durchführen, die unter anderem Religionsfreiheit beinhalteten. Für Bayern und Ingolstadt werden zwei Ereignisse für die weitere Entwicklung des Verhältnisses katholisch-evangelisch bedeutsam: 1773 verfügt Papst Clemens XIV. die Aufhebung des Jesuitenordens und 1777 erlischt mit dem Tod des Kurfürsten Maximilian III. Joseph die bayerische Linie der Wittelsbacher. Als Nachfolger kommt der Kurfürst von der Pfalz, Karl Theodor von Mannheim, nach München. (Mannheim ist stark von der Aufklärung beeinflusst – dort werden auch Schillers „Räuber“ uraufgeführt und ebenda leben viele Prorestanten, meist sog. Reformierte.) Rasch werden die Heere aus Sorge um mögliche Erbfolge-Auseinandersetzungen zur kurpfälzisch-bayerischen Armee zusammengelegt. Einige Regimenter werden nach Ingolstadt verlegt – und so kamen auf einen Schlag an die 500 Protestanten in die Stadt mit damals knapp 6.000 Einwohnern. (Karl Theodor wurde für die Region insofern wichtig, als er die Urbarmachung des Donaumooses in Gang setzte – deswegen: Karlskron und Karlshuld)

 

In Ingolstadt hatte der Moritzpfarrer und Universitätsprofessor, Ex-Jesuit und katholischer Garnisionspfarrer Benedikt Stattler die Evangelischen in einer Schrift 1775 als „Christen und Brüder“ anerkannt … allerdings dafür einen kurialen Tadel erhalten. Immerhin erlaubte der Bischof von Eichstätt die rein evangelische Eheschließung der Soldaten – der katholische Pfarrer leistete dabei die sogenannte passive Assistenz. Beerdigt wurden die Evangelischen wie alle Militärangehörigen bei St. Sebastian, d.h. in Ingolstadt wurde nicht wie andernorts eine Separierung der Toten nach Konfessionen vorgenommen.

Dass der Kurfürst und spätere König Max Joseph mit Karolina von Baden eine Evangelische geheiratet hat und im Schloss Nymphenburg dann der erste evangelische Gottesdienst in Bayern stattfand, dass mit den Reformen des Grafen Montgelas, (bayerisches Religionsedikt, gewährt Katholiken, Lutheranern und Reformierten gleiches Bürgerrecht) der sogenannten Säkularisation, gezielt protestantische Beamte nach Ingolstadt kamen, führt soweit, dass 1811 „zum Entsetzen der Ingolstädter“ ein Protestant aus Weißenburg zum Polizeidirektor ernannt wird. 1814 werden dem Ingolstädter Regiment zwei überwiegend evangelische Bataillone aus Ansbach zugeteilt. Daraus ergab sich die Frage nach einer eigenen Pfarrgemeinde. Der Regimentsquartiermeister Friedrich Schultheiß – nach ihm ist Friedrichshofen benannt – formuliert die Idee vom bis heute gültigen „Kirchenvorstand“. 1829 wird der ehemalige Jesuiten-Bibliothekssaal – heute Dr. Eck-Saal – in der Konvikt-Kaserne den Protestanten als Gottesdienstraum überlassen. Versuche, die leerstehende Maria-de-Victoria-Kirche, die Spitalkirche bzw. die Garnisionskirche, d.h. ehemalige Franziskanerkirche, als evangelische Gottesdiensträume zu erhalten, schlugen fehl. Der Magistrat war dafür, aber der Bischof von Eichstätt dagegen. Angeboten wurde die zu kleine Sebastiankirche. Schließlich stellten die „Lutherischen“ den Antrag auf eigenen Kirchbau, der 1840 auch genehmigt wurde.

 

Das rief aber etliche katholische Bürger zum Widerstand auf, die sich mit einer „PETITION KATHOLISCHER BÜRGER INGOLSTADTS AN DEN KÖNIG“ nach München begaben und dort überreichten. Da aus heutiger Sicht manches fast zum Schmunzeln ist, hier einige Auszüge aus der Petition: „Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster! Allergnädigster König und Herr! Im vollsten Vertrauen auf Eurer königlicher Majestät Huld und Gnade tritt die Bürgerschaft Ingolstadts vor Höchstdero Thron und wagt es, eine Bitte demuthigst niederzulegen, nämlich Eure königliche Majestät möchten allergnädigst geruhen, zu befehlen, dass eine protestantische Kirche nicht innerhalb Ingolstadts Mauern selbst erbaut werden dürfe.“

 

Dann werden verschiedene Argumente aufgeführt wie: … „dass sich die Bürgerschaft durch den Gedanken „eine protestantische Kirche in dieser Stadt“ zu haben aufs Tiefste verletzt fühlt; zumal wenn sie zurückdenkt an ihre Vorfordern, die alle echt katholisch gewesen und die katholische Sache so aufopfernd verteidigt haben, wenn sie sich zurückerinnert, welche Drangsale sie erduldet, als der gewaltige Gustav Adolf vor ihren Mauern gelegen; wie sich die katholische Sache in diese Stadt geflüchtet … doch nicht allein mit dem Schwerte hat in Ingolstadt der Glaube seine Verteidiger gehabt, auch mit geistigen Waffen ist er verfochten worden. Bekannt ist ja, mit welchem Glanz die Universität gegen die Neuerungen in Religionssachen zu den Zeiten der Reformation aufgetreten ist. Der ausgezeichnete Dr. Eck ist noch nicht aus dem Gedächtnis der Bewohner unserer Stadt verschwunden…

 

Zudem scheint die Erbauung einer protestantischen Kirche in Ingolstadt selbst nicht notwendig zu sein, da bei Weitem der größte Teil der Protestanten ziemlich entfernt von der Stadt in den Dörfern Brunnenreuth und Friedrichshofen wohnt … in Ingolstadt selbst wohnen nur sehr wenige protestantische Bürger, von denen beinahe die Hälfte  in gemischten Ehen leben, in denen hinsichtlich der Kindererziehung die kirchlichen Vorschriften befolgt werden, so dass im Laufe kurzer Zeit die hiesigen Protestanten zu einer ganz unbedeutenden Zahl zusammenschmelzen müssen … zu-dem hätte die Bürgerschaft zum Unwillen über Personen Veranlassung, da im vorigen Jahr während der Prozession am Fronleichnamstage nicht bloß der katholische Glaube, sondern auch Eurer königlichen Majestät allerhöchste Ordre hinsichtlich des Kniebeugens durch einen protestantischen Bürger verhöhnt worden ist … und trotzig diese Ehre verweigert hat.“

 

Diese Kniebeugeorder von 1838, dass nach königlichem Befehl beim Vorbeitragen der Monstranz zumindest alle Soldaten die Kniebeuge zu machen haben, hatte erheblichen innenpolitischen Wirbel verursacht – und wurde 1845 wieder offiziell aufgehoben. Das führte übrigens dazu, dass man die genehmigte Kirche nicht wie vorgesehen „Ludwigskirche“ genannt hat. Das hatte damit zu tun, dass der evangelische Pfarrer Volkert in der Palmsonntagpredigt zum Ungehorsam gegen die Order aufgerufen hatte, weil Christen eben nur vor Gott die Knie beugen. Volkert wurde angezeigt. Als König Ludwig die seit 1828 begonnenen Festungsbauten besichtigt, kommt es auch beim Behördenempfang zum Zusammentreffen mit dem evangelischen Pfarrer. Der König soll zum Pfarrer gesagt haben: „Subordination muss man predigen!“ Und Pfarrer Volkert soll geantwortet haben: „Majestät, ich werde tun, was meines Amtes ist.“

 

Um Provokation zu vermeiden, haben die Evangelischen die 1846 eingeweihte Kirche, die übrigens von einem katholischen Architekten geplant wurde (die Oberaufsicht hatte kein Geringerer als Leo von Klenze) nicht Lutherkirche genannt, sondern schlicht evangelische Stadtpfarrkirche. Erst unter Dekan Simon, nachdem die zweite evangelische Kirche, die Lukas-Kirche, erbaut war, hat man sie nach dem ersten Evangelisten Matthäus benannt.

 

Ja, fortan lebten Katholiken und Evangelische schiedlich und friedlich zusammen. Durch die vielen Flüchtlinge gab es auch eine größere „Vermischung“… , obwohl die Mischehen-Problematik noch bis in unsere Tage bestand. Als in Bayern als letztem Bundesland die sog. Konfessions- oder Bekenntnisschulen – wo auch in Ingolstadt Pausenhöfe durch ein Seil die Trennung von katholischen und evangelischen Kindern sichtbar machte – in Gemeinschaftsschulen umgewandelt wurden, erfolgte der Weg zu Ökumene in harmonischer Art und Weise. Heute völlig selbstverständlich, dass etwa bei Einweihung von öffentlichen Gebäuden katholische und evangelische Geistliche die kirchliche Segnung gemeinsam vornehmen. Dass zwei Bildungswerke, das katholische Erwachsenenbildungswerk (KEB) und das Evangelische Bildungswerk (ebi) sehr eng zusammengearbeitet haben, führte dazu, dass die damaligen Vorsitzenden, Frau Bauer und Herr Schuhmann, nach aufbereitendem Quellenmaterial von Dr. Siegfried Hofmann und Dr. Theodor Straub ein kleines Theaterstück zur „Leipziger Disputation“ geschrieben haben, das mit Jugendlichen von St. Moritz 2010 im Münster aufgeführt wurde. Der katholische Dekan Oswald spielte auf Vorschlag des lutherischen Manfred Schuhmann, der den Eck darstellte, den Martin Luther! Ist das nicht gelungene Ökumene?

 

Die Repräsentanten der beiden Kirchen in Bayern, Kardinal Marx und der Landesbischof Bedford-Strohm, bieten sicher die Gewähr, dass der Weg zu noch mehr Gemeinsamkeit weiter beschritten wird. Das ist sicher unverzichtbar, um das gesellschaftliche und kulturelle Leben nicht nur in Bayern mit christlichen Werten auch in Zukunft gestalten zu wollen.

 

Bildunterschrift Kirche: 

Die Matthäuskirche wurde im Jahr 1845 als erste protestantische Pfarrkirche in Ingolstadt und älteste Kirche dieser Art in Bayern erbaut. Sie ist heute Zentrum der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Ingolstadt – St. Matthäus. Sie fügt sich eng ein in ihr Umfeld aus Plätzen und Altstadthäusern. Mit ihrer für das 19. Jahrhundert typischen Backsteinarchitektur und ihrer markanten Einturmfassade prägt sie das Areal um die Schrannenstraße und den Holzmarkt am nördlichen Rand der Ingolstädter Altstadt.

Bildnachweis: Shutterstock

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