Das kann nur ein interessanter Mensch sein…

Pater Ralph Heiligtag hat eine interessante und ungewöhnliche Lebensgeschichte. Deswegen wollte ich ihn kennenlernen. Wenn jemand mit 48 Jahren drei völlig unterschiedliche Studiengänge absolviert hat, nämlich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, Opern- und Konzertgesang und dann auch noch Theologie, kann sich dahinter nur ein interessanter Mensch verstecken.

 

Wir haben uns bei ihm im Vor-Oratorium in der „Herren-WG“ verabredet. Er begrüßt mich freundlich, aber mit dem Hinweis, dass ich zu früh gekommen bin. Das hat gestimmt, und seine Bemerkung darüber fand ich erfrischend ehrlich. Er gesteht mir, dass schon seine Mutter zu ihm als kleiner Junge immer sagte: „Jetzt sei doch nicht so ehrlich!“ Denn das kommt nicht immer gut an. In meinem Fall machte es ihn mir noch sympathischer. Der „Draht“ war gleich da.

Obwohl im 2. Stock des Südflügels des Canisiuskonvikts auch sieben Monate nach dem Einzug die Einrichtung bei Weitem noch nicht abgeschlossen ist, spricht sie mich dennoch an. Auf den Plänen, die mir Pater Ralph zeigt, bekomme ich einen Einblick, wie geschmackvoll es einmal aussehen wird.

Bei Kaffee und Leckereien sitzt mir nun ein entspannter, gesprächsoffener und zuhörender Priester gegenüber. Allein die Bereitschaft zuzuhören scheint heutzutage für einen Geistlichen schon eine Besonderheit zu sein. Es wird nämlich in der Kirche viel zu wenig zu- und hingehört, meint P. Ralph. Und schon sind wir mitten drin im Thema Glauben, das für unser Gespräch der Schwerpunkt bleiben wird.

„Ich finde es erstaunlich, dass die Grundstruktur des Amts eines Priesters in der Wahrnehmung der Gesellschaft nicht klar ist. Dabei ist der Priester ein Archetypus, in den viel hineininterpretiert, beziehungsweise hineinprojiziert wird, wie Erwartungen und Enttäuschungen.“

 

 

Hoppla, das kenne ich. Habe ich nicht auch in den Priester etwas hineinprojiziert? Deshalb war ich überrascht, als ich Pater Ralph erstmals in der Moritzkirche und im Liebfrauenmünster erlebt habe. Weil er von meinen Erwartungen abgewichen ist, passte er nicht in meinen „Priester-Archetypus“.

„War für ein Priesterbild möchten Sie denn vermitteln?“, will ich von ihm wissen.

„Ich will nichts aktiv vermitteln, ich will etwas sein. Mein Glaubensweg hat spät angefangen. Es war ein langer Weg bis zu dem Punkt, als ich endlich spüren konnte, dass Jesus mich als Priester haben möchte. Obwohl ich in diese Kirche in Deutschland gar nicht hineinpasse. Das moderne Credo des „Weiter-so!“ kann ich nicht verstehen. Auf mich wirkt es fast hilflos, an alten Mustern festzuhalten, obwohl sich die Welt außen herum in so rasantem Tempo verändert. Ich als Mensch könnte den Karren nicht einfach treu weiterziehen und ignorieren, wo es so keinen Sinn mehr macht.“

Aber das Dagegen-Sein, die Fundamental-Opposition ist für Pater Ralph auch keine Lösung. Er will durch sein Handeln die Freude am Glauben vermitteln; also das, was ihn selbst davon überzeugt hat, ein Priester Jesu Christi zu werden. Das ist seine Mission. Und das beschreibt er auch als das eigentliche Missionieren: Nicht zwingen oder überreden, sondern durch das eigene Lebenszeugnis Menschen für Jesus zu begeistern.

Für einen spätberufenen und vom Leben außerhalb der Kirche ge- prägten Menschen ist es nicht immer einfach, sich in ein geschlossenes System wie der Kirche einzufinden. Für viele Geistliche besteht die Versuchung, das Leben und die Welt nur aus der eigenen Innenperspektive zu betrachten. Manchmal gewinnt man den Eindruck, dass die Bereitschaft, über den Tellerrand hinauszusehen, nicht belohnt wird. Falls der Versuch unternommen wird, Dinge und Abläufe zu verändern, kann es zu Widerstand kommen, weil Veränderung unbequem ist.

 

 

„Warum wollten Sie dennoch Priester in diesem System werden, obwohl sie die Kirche in Ihrer Kind- und Jugendzeit abgelehnt haben und ja auch heute noch Widerstände in sich spüren?“

„Mein Weg in den Glauben war gesäumt von vielen Ereignissen und Begegnungen. Es hat länger als 7 Jahre gedauert. Für mich war es vor allen Dingen die Begegnung und Auseinandersetzung mit dem Übernatürlichen, dem Mystischen, das mich tief gefesselt hat. Ich sehe mich nicht so sehr als den sozialen „Handson“ Priester. Das machen andere viel besser, als ich es jemals könnte. Ich will auf einer anderen Ebene die Menschen für das Christentum begeistern. Mir wäre es wichtig, den Menschen in Ingolstadt zu vermitteln, dass sie auf ihrer Sinnsuche auch in den Säulenhallen unserer Kultur fündig werden können. Dafür muss ich nicht unbedingt in einen Ashram.“

Mein Eindruck von Pater Ralph ist, dass er Dinge anpackt. Wenn er etwas macht, dann macht er es richtig. Er spricht von einer Sehnsucht nach Qualität und Perfektion. Er ist ein Mensch, der strukturiert vor- geht, der denkt, bevor er spricht. Und der sich nicht scheut, in echte Beziehung zu treten, die nur dann entsteht, wenn man sich selbst verletzlich zeigt. Sich also ganz hingibt. Es ist der Blick des Glaubens für das Große und Ganze der gesamten Philosophie. Ein Blick auf die Welt, in die er sich gern hineinbegibt, mit allen Konsequenzen.

Leider hat uns die Zeit gefehlt, auch über die anderen Stationen in seinem Leben zu sprechen. D.h., sie waren eigentlich unterschwellig

immer vorhanden, weil nur durch diesen Lebensweg Pater Ralph so ist, wie ich ihn erlebt habe. Ich bin gespannt, wie er seine neue Aufgabe als City-Seelsorger ab September anpacken wird. Seine soziale Seite scheint doch ausgeprägter zu sein, als er von sich selbst dachte. Einen Besuch bei seiner Predigt kann ich nur empfehlen. Egal, ob im Liebfrauenmünster oder in der Moritzkirche. Sie werden überrascht sein. So oder so.

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