Prinzenerziehung an der Universität Ingolstadt

IM ZEITALTER DER GEGENREFORMATION

Die Universität Ingolstadt hatte sich dank berühmter Professoren bald einen guten Ruf erworben – und so schickten eine ganze Reihe von Fürstenhäusern ihre Söhne an die Ingolstädter Hohe Schule: Habsburg und Baden, Brandenburg und Mecklenburg. Von bürgerlicher Seite her konnte es sich eigentlich nur die Familie der Fugger leisten, die Söhne nach Ingolstadt zu schicken. Der erste Wittelsbacher war Prinz Ernst, der jüngere Bruder des Herzogs Wilhelm IV. Schon vorher, mit seinem Bruder Ludwig, dem sog. Vater der bayerischen Geschichtsschreibung, Aventin, als Privatlehrer anvertraut, schrieb er sich 1515 an der Universität ein. Wie üblich wurde so ein Prinz von einer Schar adeliger Jünglinge, die mit ihm das Studium aufnahmen, begleitet.

Die feierliche Begrüßungsrede hielt Johannes Eck, Professor für Theologie. Herzog Wilhelm IV. schickte seinen Sohn Albrecht bereits als 10-Jährigen 1537 nach Ingolstadt (als 12-Jähriger legte er den Grundstein für die von Graf Reinhard Solms Münzenberg geplante Neubefestigung der Stadt). Peter Apian, der wohl bedeutendste Mathematiker seiner Zeit, den Kaiser Karl V. zum Hofmathematiker ernannt hatte, war sein Lehrer in Arithmetik und Geographie.

Johannes Aventin (Turmair)

 

FOTOS: © Stadt Ingolstadt

 

Wilhelm V.
Wilhelm V.

Nach siebenjährigem Studium verlässt Albrecht die Universität. Sein Vater Wilhelm IV., der immer mehr die Aufrechterhaltung des „wahren Glau- bens“ als wichtigstes Regierungsziel betrachtete, ging von der Abwehr der „ketzerischen“ Ideen zum Gegenangriff über und holte 1549 die Jesuiten nach Ingolstadt. Petrus Canisius, geboren 1521, als die Reichsacht über Martin Luther verhängt wurde, legte 1543 das Gelübde ab, in den Jesuiten- orden – der Speerspitze im Kampf gegen die lutherische Häresie – ein- zutreten. Papst Leo XIII. bezeichnete ihn 1897 an seinem dreihundertsten Todestag als „zweiten Apostel der Deutschen“ und Papst Pius XI. erklärte ihn 1925 zum Heiligen und Kirchenlehrer. Canisius wurde vom Papst und Ignatius von Loyola mit zwei Mitbrüdern nach Norden geschickt, um „Deutschland den wahren Glauben zurückzugewinnen.“ Auf dem Weg wird er in der altehrwürdigen Universität Bologna zum Doktor der Theolo- gie promoviert und reist über Trient und München nach Ingolstadt, „Sitz einer der berühmtesten Universitäten der Zeit“, und hält dann am 15. November 1549 eine „glanzvolle“ Antrittsvorlesung. Er erwarb sich in kurzer Zeit hohes Ansehen, wurde zeitweise zum Rektor gewählt und zum Vizekanzler bestellt, beklagt sich aber kurz darauf über die Haltung auch der Professoren, die sich nicht en- ergisch genug gegen das luthe- rische Gedankengut einsetzen. Er forderte die Gründung eines Jesu- itenkollegs. Weil aber nach dem Tod Wilhelms des IV.1550 sein Nachfolger Albrecht zu lange mit dem Bau zögerte, zog er kurzent- schlossen alle Jesuiten ab und schickte sie nach Wien. Erst 1556 trafen nach der verbindlichen Zu- sage zum Bau des Kolleges – das nach Köln das zweitgrößte in Deutschland werden sollte – wie- der 18 Jesuiten in Ingolstadt ein.

Albrecht hatte drei Söhne, Wilhelm (der spätere Herzog Wilhelm V. – der „Fromme“) Ferdinand und Ernst. Sie bildeten die nächste Wittelsbacher Studentengeneration zu Ingolstadt. Der Vater legte genaue „Instruktionen“ für die Erziehung seiner Kinder fest. Hauptziel ist – neben dem religiösen Unterricht – die lateinische Sprache in Wort und Schrift. In dieser Sprache waren natürlich auch die Theateraufführungen der Jesuiten abgehalten. Das Jesuitentheater, das die Studenten zu besuchen hatten, wurde von den Verfassern der Societas Jesu als modernes Medium der Kommunikation, als Mittel der Propaganda des Glaubens eingesetzt. Albrecht schrieb übrigens an den Hofmeister und Praeceptor, dass man die jungen Herren mit Güte erziehen solle… „wo aber dieselbe nicht ausreicht, da sollen sie die Schärfe und Ruten nach Gelegenheit…brauchen.“ 1563 werden die drei herzoglichen Söhne, Wilhelm mit 15, Ferdinand mit 13 und Ernst mit 9 Jahren, an der Universität eingeschrieben. Um die Zu- oder Missstände der damaligen Zeit zu illustrieren: Ernst war schon mit 10 Jahren Domherr und mit 12 Jahren Bischof von Freising. Nach zwei Jahren Schulung im Vatikan wird er später Fürstbischof von Lüttich, Erzbischof von Köln und Bischof von Münster. Diese Ballung von Bistümern in einer Hand wird vom Papst dem Hause Bayern zuliebe geduldet.

Es folgt mit den Söhnen von Wilhelm V., Maximilian, Philipp, Ferdinand und Karl, die neue Generation… Es setzt ein Reigen ein: die einen Brüder kommen, während die anderen gehen…Frömmigkeit steht bei der Erziehung oben an. Sie gilt als Spitze der Tugenden. Zu zeigen sind: Gelehrsamkeit, Gerechtigkeit , Beständigkeit und Tapferkeit. Zu meiden sind: Müßigkeit, Wollust, Eigensinn, Stolz, Übermut und Verschwendungssucht.

Maximilian I.

Besonderes Augenmerk gilt dem Erben Maximilian. Ihm ist bei den Freizeitmöglichkeiten Ringen, Schwimmen, Karten- und Würfelspiel untersagt. 1587 trifft der Tross des Erbprinzen in Ingolstadt ein: Ein Vorreiter, dann die Kutsche mit dem 14-jährigen Maximilian, der Stallmeister mit dem Leibpferd, der Hofmeister mit eigener Kutsche, Stallknechte, Sattelknechte –ein Schmied, wohl für mögliche Pannen auf dem weiten Weg vom Alten Hof in München bis Ingolstadt, den man
an einem Tag –die Dienerschaft zu Fuß – zurücklegte. Insgesamt 15 Adels- scholaren begleiten ihn zum gemeinsamen Studium. Und ein 40-köpfiger Hofstaat…neben Kaplan, Kämmerer, sechs Edelknaben, ein Mund- und ein Meisterkoch, 1 Einheizer, 3 Wäscherinnen, mehrere Küchenjungen, 1 Falkner, mehrere Hundebuben und der Leibzwerg Erasmus. (Ja, man schenkte sich im Hochadel auch sog. Zwerge…aus Frankreich wurde später Francois Cuvilliés als Hofzwerg Kurfürst Max II. Emanuel geschenkt, der dessen Talent zur Baukunst erkannte und ihn ausbilden ließ. Er entwickelte sich zum herausragenden Architekten – Cuvilliès-Theater!)

Um 6 Uhr begann das strenge, nach jesuitischer Vor- schrift ausgerichtete Tagwerk mit dem Morgengebet. Von 7-8 Uhr Studium der Grammatik, dann folgte die Messe. Alle Sonn- und Feiertage Beichte, Kommunion, Predigt und Litanei. Danach Religionsunterricht mit dem „Canisii-Katechismus“, alles in lateinischer Sprache…die griechischen und lateinischen Klassiker waren streng verboten, nur die durch die Jesuiten gereinigten durften dem Prinzen erklärt werden. Das Essen begann und endete mit Gebet. Unter Aufsicht des Hofmeisters danach 2 Stunden Vakanz. Um 2 Uhr begann wieder das Studium

bis 4 Uhr, hierauf Musikstunde – Maximilian lernt das Orgel- spiel, sein Bruder Laute…dann das Nachtmahl – um 8 Uhr Gebet und Schlafengehen.

Er durfte schon auch an Wallfahrten teilnehmen ( seine letzte Wallfahrt führte ihn mit Frau und Kindern 1651 nach Bett- brunn…danach starb der greise Mann im Schloss zu Ingolstadt). Damals herrschte regelrechter Hexenwahn…so nahm er auch an Folterung und Verbrennung einer„suspectam per- sonam der Zauberei wegen“ teil, wie er ziemlich ungerührt nach Hause schrieb. Ihm war ja gelehrt worden, dass Recht- mäßigkeit der Herrschaft – die auch strafen muss – Übereinstimmung mit den Geboten Gottes und der Kirche bedeutet.

famous bavarian old town with historic buildings of Ingolstadt

In Ingolstadt war man stolz auf die hochadeligen Studenten, zumal der fünf Jahre jüngere Habsburger Erzherzog Ferdinand (seine Mutter war Anna Maria von Bayern, die Tochter von Herzog Albrecht V.) – späterer Kaiser des Heiligen Rö- mischen Reiches von 1619 bis zu seinem Tod 1637 – auch zu dieser Zeit an der (jesuitischen) Universität war. Maximilian betreffend ist überliefert, dass der Bürgermeister Fischer Äpfel und Birnen, der Münsterpfarrer „Muskatell-Birnen“, der Stadtapotheker Weichseln und der Apotheker der Hohen Schule Marzipan schickte. Er wird – mit zween jungen Fuggern – zur Jagd eingeladen. Es wird auch berichtet, dass die Oberin vom Gnadenthal Kloster unter anderem küchenwarm eine gemästete Gans überbringen lässt. Andere Ingolstädter Bürger schicken Blumen, Renken, Artischocken oder Obst aus ihren Gärten. Natürlich wurde Maximilian auch um Protektionen und Bitten zum Gevattern angegangen – und besuchte zum Erlernen wie Disputationes zu führen sind, auch mehrmals Sitzungen des Rats zu Ingolstadt.

Für Ingolstadt auch heute noch wichtig: Maximilian verließ nach drei Jahren die Universität. Seinen jüngeren Brüdern, die noch in Ingolstadt weilten, sandte er ein großes Paketsamt Schreiner zum Aufstellen – in dem „ein schöns Weih- nachtskrippl“ war. Ingolstadt ist damit zu einer der ersten Städte geworden, in denen eine Krippe belegt ist. Der Je- suiten-Frater Joseph Brandstetter galt als „Urheber der Krippen“, welche in der ganzen Provinz aufgebaut wurden. Wert- volle Krippen wie im Kloster Gnadenthal oder in der großen Barockkirche des Münsters haben Ingolstadt als „Krippen- stadt“ bekannt gemacht. Vor 25 Jahren konnten der frühere Pressesprecher Dr. Gerd Treffer und der langjährige Korre- spondent des Bayerischen Rundfunks, Gerald Huber, nach mehrjähriger Vorarbeit den „Ingolstädter Krippenweg“ eröffnen. Eine echte Attraktion in der Adventszeit, wo in vielen Kirchen, (eine ganze Sammlung in der Spitalkirche) Schulen und auch am Christkindlmarkt Krippen zu bewundern sind. Mittlerweile konnte dieser Krippenweg mit Ausstellungen in Gemeinden aus dem Umland erweitert werden.

In the center of Ingolstadt in Bavaria

Epilog:

Die Auseinandersetzungen zwischen Katholizismus und Protestantismus mündeten bekanntlich in den 33-jährigen Krieg, in dem Kaiser Ferdinand –
der als kompromissloser Katholik und „Protestantenverfolger“ in
die Geschichte einging – und Maximilian, seit 1623 als Kurfürst neben dem Kaiser, wichtigste Führer der katholischen Liga waren.

Zu vermelden ist abschließend, dass Maximilian Ferdinand III. (Kaiser nach dem Tod seines Vaters 1637) zu Zugeständnissen zwang, um den Religionskrieg, der sich immer mehr zum europäischen Machtkrieg entwickelt hatte, nach vierjährigen Verhandlungen zu Münster und Osnabrück endlich nach 30 Jahren zu beenden. Die Auseinandersetzungen zwischen

Katholiken und Protestanten sollten allerdings noch lange andauern….

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